Alles neu bei Deine Lakaien:
Besser als 20 Psychiater

Journal-Interview mit Ernst Horn über das aktuelle Album "White Lies" und Veränderungen bei der Live-Formation

Deine Lakaien: Ernst Horn, Alexander Veljanov


Ungekürzte Fassung


Sowohl Alexander Veljanov (Gesang) als auch Ernst Horn (Instrumente und Produktion) haben sich im vergangenen Jahr auf ihre Soloaktivitäten konzentriert. Gleichfalls ist aber mit "White Lies" auch ein neues Album von Deine Lakaien entstanden, und auch in der Live-Besetzung hat sich eine Menge getan. Das Journal sprach mit Ernst Horn über die neusten Entwicklungen bei den Lakaien.


Journal: "White Lies" ist als Gesamtwerk betrachtet, ruhiger und sanfter ausgefallen als die früheren Alben. Was ist der Grund dafür?
Ernst Horn: Es war bestimmt nicht Absicht, ein ruhigeres Album zu machen, sondern es haben sich einfach vom inhaltlichen mehr Balladen ergeben. Es sind schon ziemlich viele, relativ schwermütige Texte. Das war wohl jetzt so eine Phase, in der wir solche Stücke schreiben wollten. Unsere Stücke sind diesmal doch sehr von den etwas stilleren Texten geprägt und dem entsprechend sind dann auch die Songs vom Arrangement doch mehr auf das konzentriert, was es ist, nämlich Gesang mit Begleitung.

Journal: Ihr habt einmal gesagt, daß Deine Lakaien für viele Menschen eine Art Insel darstellen. Wie habt ihr das gemeint?
Horn: Das ist so ein Grundgedanke, inwieweit Geborgenheit auch Stärke verleihen kann. Inwieweit auch eine Musik wie unsere, die ja nun eher schwermütig ist und zum Depressivem neigt, gerade Leuten, die auch in so einer Stimmung sind, helfen kann. Einer hat mir einmal gesagt, wir seien für ihn besser als 20 Psychiater. Das ist einfach ein Gefühl, was ich auch persönlich kenne von klassischer Musik, von Schubert-Liedern. Wo ich mich einfach irgendwie verstanden fühle.

Journal: Ist eigentlich die schwermutige Musik intelligenter als die heitere Musik?
Horn: Ahhh, das glaube ich nicht. Wenn jemand wirklich in der Lage ist, in großartiger Weise seine Freude zu vermitteln, dann ist das natürlich genauso toll. Es ist halt für viele Künstler offensichtlich das Anziehendere, diese zum Dunklen neigende Kunstformen, die vielleicht auch irgendwie mehr Chancen bieten durch die Undeutlichkeit. Bei uns ist es einfach irgendwo auch eine chemische Sache. Wir fühlen uns als Künstler da wirklich wohler.

Journal: Wieso nutzt ihr bei "White Lies" das optische Mittel der Farbe weiß?
Horn: Einer der Artdirektoren hatte das klare, weiße Konzept. Das ist für ihn die Farbe der Unschuld. In diese Farbe hat er bestimmte Dinge rein gesetzt. Zum Beispiel Pflanzen (erste Single), und beim Album-Cover wird es ein Kaninchen mit einem seltsamen Auge sein und ohne Mund und ohne Nase. Also so feine, genetische Veränderungen. Ich würde es als Empfindsamkeit bezeichnen, etwas Verletzliches. Es ist ja leider ein etwas abgedroschenes Wort, aber das war seine Empfindung von unserer Musik.

Journal: Wie werden sich Deine Lakaien live präsentieren, nachdem Michael Popp und Christian Komorowski nicht mehr in der Live-Besetzung dabei sind?
Horn: Ich kann das jetzt noch nicht so präzise sagen, aber wir werden auf jeden Fall nicht nur zu zweit auftreten. Und wir werden wahrscheinlich einiges Grundsätzliches ändern, in der Herangehensweise und auch in der Art und Weise bei den Keyboards.

Journal: War die Trennung von den Live-Musikern wirklich notwendig, um den Fortbestand von Deine Lakaien zu gewährleisten?
Horn: Es war der Punkt da, wo auch Alexander meinte, er kann jetzt einfach so nicht mehr auftreten. Die Frage, ob man jetzt nur noch als Studioband fungiert und keine Auftritte mehr macht, das war dann schon eine existentielle Frage für uns. Das ist sozusagen leider der Endpunkt eines von Beginn der Live-Auftritte andauernden Konfliktes mit Michael und Komo, die halt diese Rolle, die sie bei uns eingenommen haben, nie zufrieden gestellt hat. Wir waren eben so ein Synthi-Duo aus der Mitte der Achtziger-Jahre. Und das war natürlich die Ausgangssituation und das war für die beiden nicht so einsehbar, daß sie nicht diese Rolle spielen, die sie gerne wollten, die völlig Gleichberechtigte.

Journal: Wie kam es zu den beiden Acoustic-Konzerten in Hamburg und Berlin?
Horn: Das war eine Idee von Alexander. Der meinte ein Weihnachtsgeschenk wäre jetzt mal angebracht, nachdem wir das lange schon nicht mehr gemacht haben.

(Maik Heinsohn 01/2002)