Die Pioniere des Synthi-Pop
Depeche Mode: Heute einfühlsamer
als in den coolen Achtzigern

Depeche Mode


War noch im letzten Jahr das Fortbestehen der englischen Pioniere des Synthi-Pop fraglich, so meldeten Depeche Mode sich Anfang 1997 mit der Single "Barrel OF A Gun" lautstark und kraftvoll zurück. Im Frühjahr erschien dann das Album "Ultra", das die Gerüchte über die Auflösung der Band erst einmal verstummen ließ.
Grund genug für das Journal, die bücherfüllende Bandgeschichte einmal Revue passieren zu lassen und den jetzigen Zustand der verbliebenen drei Mitglieder einmal zu durchleuchten.

Beeinflußt von Gruppen wie Kraftwerk und Can fanden sich im Jahre 1980 Vince Clark, Martin Lee Gore und Andrew Fletcher zusammen, mit dem Gedanken, Musik nur mit Synthesizern zu erzeugen. Diese für damalige Zeiten ungewöhnliche Art des musikalischen Ausdrucks und der Angriff auf die Hörgewohnheiten des vorherrschenden Rock´n Roll, bewegte den Ex-Punk David Gahan, der Gruppe beizutreten. Bei einem Auftritt im Vorprogramm von Fad Gadget wurde Daniel Miller (Kopf des Mute Records - Labels) auf das Quartett aufmerksam und somit war der erste Plattenvertrag unter Dach und Fach. Miller erkannte das Potential von Depeche Mode und trug mit der Prämisse, ihnen jede künstlerische Freiheit zu belassen, entscheidend zum Erfolg bei. Mute Records ist somit bis heute das Label der Depechies geblieben.

Der zunehmende Erfolg wurde Vince Clark bereits 1981 zuviel. Er verließ die Band und gründete zusammen mit Alison Moyet das Projekt Yazoo, welches allerdings nicht lange Bestand hatte. Heute ist er zusammen mit Andy Bell der kreative Kopf von den allseits bekannten Erasure.
Vince war bis zu seinem Ausstieg für das Komponieren der Stücke verantwortlich. Seinen Part übernahm Martin Gore, ohne an Qualität der Kompositionen und Gespür für Melodiösität zu verlieren. Das erscheinen des Evergreens "Everything Counts" vom Album "Construction Time Again" belegte dieses eindrucksvoll. Das Formen und Bearbeiten von Samples und Sounds wurde die Aufgabe von Alan Wilder, der für Vince in die Gruppe einstieg. Besonders auffällig wurde dieses auf dem 84er Album "Some Great Reward". Mit dem stahlpercussivem Song "People Are People" stürmten sie sämtliche internationalen Charts und sorgten somit auch in Sachen Klang, Atmosphäre und ausgefallenen Songstrukturen für Aufsehen.
Depeche Mode --------------------------------------------------------------
Musik und Mode
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Hinzu kam das modische Outfit in schwarzem Leder und verchromten Assecoires. Diese beiden Elemente, industrialähnliche Musik und sterile, futuristische Mode, prägten das Image der Band und vereinte das Lebensgefühl der stetig wachsenden Fangemeinde. Wie immens die Fangemeinde stieg, läßt sich aus der Anzahl der Konzertbesucher der "Music For The Masses"-Tour ableiten. Über 100 Konzerte und allein 75000 Zuschauer auf einem einzigen Konzert in Pasadena (Kalifornien).
Andrew Fletcher wirkte oftmals als das fünfte Rad am Wagen, allerdings ist er sicher mehr als das. Fletch gilt nicht nur als interner Manager der Gruppe, sondern er sorgt mit seiner Person für den nötigen sozialen Halt unterhalb der charakterstarken Mitglieder. Dave Gahan verkörpert in der streng nach Aufgaben getrennten Bandstruktur die mediengerechte Figur des Frontmannes. Sein in frühen Zeiten distanzierter, abgehobener Gesang und das äußere Erscheinungsbild von ihm und Martin bildete ein unverkennbares Markenzeichen.

Mit den Alben "Violator" und "Songs OF Faith And Devotion" vollzog sich eine langsame Weiterentwicklung des als Teenie-Band mutierten Quartetts. Der eigene Drang ernst genommen zu werden und die Suche nach gereifteren Musikformen führte sie weg von den verspielten, zum Klischee avancierten Sounds. Introvertiertere und organischere Kompositionen, Blueseinflüsse, der Einsatz von Gitarren und ein einfühlsamerer Gesang stellen Depeche Mode in das Licht, welches mit dem neuen Album "Ultra" am Horizont zu sehen ist.

Depeche Mode
Dabei gab es in den letzten Jahren mehr als nur unbegründete Zweifel, ob überhaupt ein neues Album erscheinen wird. Denn Alan Wilder hatte nach der "Devotional"-Welttournee die Gruppe verlassen und widmet sich nunmehr seinem Projekt Recoil. Das größte Problem war das Enfant-Terrible Dave Gahan. Er durchlebte das komplette Programm einer zerstörenden Drogensucht, die vom Gefängnisaufenthalt, Scheidung seiner Ehe, Selbstmordversuche und eines kurzzeitigen Herzstillstandes infolge einer Überdosis seinen bisherigen Höhepunkt erreichte. Songwriter Martin Gore hatte bereits mehrere Stücke geschrieben, allerdings mit der damaligen Verfassung von Dave schien die Umsetzung zunächst unmöglich. Aber der Rückhalt der Gruppe und einiger verbleibender Freunde führten ihn vorläufig auf einen lebenswürdigeren Weg zurück. "Ultra" hat somit dann doch den Weg in die Plattenläden gefunden.

Depeche Mode beeinflußten viele junge Musiker, die über das Nachspielen von Songs gefallen an synthetischer Musik gefunden haben. Nach einer gewissen Anlaufphase und der Orientierung wurden eigene musikalische Identitäten aufgebaut. Ein würdigeres Erbe kann sich eine "Pop-Gruppe" wohl nicht wünschen.

Depeche Mode



(Maik Heinsohn 05/1997)

www.depechemode.de

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